Attila von Unruh zum Thema "Insolvenz"
Herr von Unruh, die Corona-Pandemie reißt viele Unternehmer*innen in die Insolvenz. Was bedeutet es, in der aktuellen Situation insolvent zu sein?
Man spürt einen deutlichen Unterschied der äußeren Wahrnehmung: In der Zeit vor der Corona-Pandemie wurde eine Insolvenz oft als ein persönlicher Makel und mangelnde Finanzkompetenz der Unternehmer*innen angesehen. Corona hat uns gezeigt: Eine Insolvenz kann jeden treffen - egal wie gut er ist.
Was jedoch gleichgeblieben ist: Als Unternehmen ist man in Krisenzeiten auf Experten angewiesen. Das gilt heute mehr denn je. Wir beraten seit 15 Jahren im Team Unternehmen in Krisen und wissen, dass so eine Situation ein gutes Netzwerk an Experten und Spezialisten erfordert, um die Leute aufzufangen
Hier auf AdvoGarant verzeichnen wir viele Anwälte, die Spezialisten im Insolvenzrecht sind. Auf was sollten sich diese Anwälte aufgrund der hohen Insolvenzrate einstellen?
Es kommt eine Welle von Unternehmen auf uns zu, die eine Insolvenz anmelden müssen - das braucht fachlich qualifizierte Anwälte für Betroffene, denn es geht um Existenzen. Die Herausforderung für Juristen ist, die emotionale Komponente zu berücksichtigen. Das bedeutet, eine Kommunikation auf verständlicher Sprache aufzubauen und einzuschätzen, wie das Gegenüber reagieren könnte. Viele Unternehmer*innen geben auf, weil sie die juristische Sprache nicht verstehen. Unser Team kümmert sich um die betriebswirtschaftlichen und strategischen Fragen und arbeitet mit den Anwälten zusammen. Wir sprechen die Sprache der Unternehmer*innen und können in vielen Fällen bei der Umsetzung der erforderlichen Schritte unterstützen.
Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit der Rechtsberatung auf diesem Gebiet gemacht? Wurden Sie gut beraten?
Für mich war es schlimm festzustellen, dass der Anwalt, der mich im Insolvenzrecht beriet, nicht die richtige Expertise mitbrachte. Ich erhielt falschen Rechtsrat und habe aufgrund dessen falsche Entscheidungen getroffen.
Insolvenz ist ein spezielles Thema, wovon so viel abhängt. Nach dieser Erfahrung habe ich mich intensiv damit beschäftigt und ein Netzwerk mit Betroffenen aufgebaut. Es zeigte sich, dass viele von ihnen schlecht beraten wurden.
Mit der Gründung der Selbsthilfegruppe “Anonyme Insolvenzler” erkannten Sie bereits 2010 die Notwendigkeit zum Austausch unter Betroffenen. Wie hat sich das Beratungsangebot seitdem entwickelt und wie tragen Sie zur Entwicklung bei?
Es hängt leider immer noch stark davon ab, ob Betroffene die Beratung bezahlen können. Je näher sie in den insolvenznahen Bereich kommen und kein Geld für Miete und Löhne haben, desto schwieriger ist es, sich eine Beratung zu leisten. Wir bei TEAM U entwickeln Finanzierungsinstrumente, um den Zugang zur Rechtsberatung für jeden zu ermöglichen und arbeiten mit einer Stiftung zur Beratungsfinanzierung zusammen. Wichtig ist aus unserer Sicht, das passende Matching an Beratern und Experten hinzubekommen und miteinander in Verbindung zu bringen.
In der Vergangenheit sagten Sie mal “...man muss verwerfen, was nicht funktioniert.” - Wie erkennt man, wann etwas nicht funktioniert?
Es selbst zu erkennen ist sehr schwierig, denn oft ist es dann schon zu spät. Das ist unser großes Ziel: Wissen teilen und Firmen früh genug in Krisen zu unterstützen. beraten. Denn in der Beratung erhält man ein wertfreies und konstruktives Feedback. Durch die verschiedenen Perspektiven unserer Spezialisten erhält der Betroffene einen breit gefassten Blick auf seine Situation und erkennt einen möglichen Ausweg
Was stellt sich rückblickend als größter Anker für Sie heraus?
Für mich war und ist es wichtig, die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit zu erkennen und Dinge selbst steuern zu können. Empowerment, also den Betroffenen dazu befähigen, sich aus eigener Kraft heraus neu zu finden, auch wenn man sich hilflos fühlt. Eine wichtige Frage dabei ist: Wie kann ich selbstwirksam sein? Sich seiner Freiheit darüber bewusst zu werden und keine Angst davor zu haben, sich auszuprobieren und vielleicht auch Fehler zu machen. Eine Insolvenz bedeutet nicht das Aus, es kann auch einen Neuanfang bedeuten - und das ist ein guter Anker für alle Unternehmer.
Attila von Unruh - TEAM U
Attila von Unruh engagiert sich für den Zugang zu Information und Beratung rund um die Insolvenz - dafür wurde er 2010 mit dem Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet. 2013 gründete er die Firma „vonUnruh&Team – das Sozialunternehmen für Turnaround Beratung“ sowie die gemeinnützige Stiftung Finanzverstand gGmbH, die 2014 operativ an den Start gingen. Die Organisationen firmieren seit Mitte 2015 unter dem Dach von TEAM U unter den Namen „Team U – die Turnaround Berater GmbH“ bzw. „Team U – Restart gGmbH“.
Seit kurzem gibt es zusätzlich die Team U Academy gGmbH. Ziel der Academy ist es, Unternehmern, Gründern und Selbstständigen qualifizierte Informationen zu den Themen Unternehmensführung und Gründung, Risikomanagement und Krisenbewältigung bereitzustellen. Die Intention ist, insbesondere den Teilnehmern Hilfe zur Selbsthilfe, auch im Rahmen des Insolvenzprozesses, zu bieten.
Stand: 28.04.2020